In der Projektgruppe "MUTTI" arbeiten Studenten der Informatik an der Entwicklung eines digitalen und multitouchfähigen Tisches. In Zusammenarbeit mit dem C-LAB und dem Technischen Hilfswerk Detmold werden verschiedene Anwendungsszenarien zur Unterstützung der Führungsstelle im Katastrophenfall ausgearbeitet und umgesetzt.
Informatiker lieben bekanntlich die Verwendung von Akronymen, bei denen die Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zu einer neu gebildeten Abkürzung verarbeitet werden. "MUTTI" steht in diesem Fall für "Multi User Table for Tangible Interaction". Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine Projektgruppe der Informatik, bestehend aus 11 Master-Studenten und unter der Leitung von Dr. Karsten Nebe, Dr. Christian Reimann und Florian Klompmaker. Inhaltlich beschäftigen sich die Studenten mit der nutzerzentrierten Entwicklung eines sogenannten Multi-Touch-Tables. Das sind digitale Tische, deren Oberflächen mit den Fingern über die Erkennung von Gesten bedient werden können, wie man es auf ähnliche Art und Weise auch vom iPhone kennt.
Im doppelten Sinn begreifbar
Dieser Technologie unterliegt die Philosophie, dem Anwender einfache und intuitive Interaktionsformen anzubieten, um das dahinter liegende System verständlich und begreifbar zu machen. Letzteres ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn hinter dem Begriff "Tangible Computing" steckt die Idee von begreifbaren Benutzerschnittstellen. Hierbei interagieren Anwender durch die Verwendung von physikalischen Objekten mit einem Computersystem. Bestenfalls sind dieses Objekte, die allgemein bekannten Gegenständen aus dem Alltag nachempfunden sind, wodurch dem Anwender bei der Benutzung solch eines Systems ein direkter Bezug zu seiner Umgebung angeboten wird. Hierdurch kann Wissen aus dem Handeln in der realen Welt auf die Benutzung von Computersystemen übertragen werden, um den Lern- und Arbeitsaufwand möglichst gering zu halten. Beispielsweise lassen sich kurze Notizen mit einem digitalen Stift oftmals schneller umsetzen, als mit einer vollständigen Tastatur.
Der "useTable" als echter Tisch
Multi-Toch-Tables gibt es mittlerweile sehr viele. Der kommerzielle Erfolg hält sich jedoch in Grenzen. Ein Grund könnte darin liegen, dass bisherige Technologien sich meist auf die Fingerinteraktion beschränken, wodurch die Verwendung eines horizontalen Tisches statt eines vertikalen Displays zunächst fraglich erscheint. Die Projektgruppe verfolgt einen anderen Ansatz. Der eigens im C-LAB der Universität Paderborn konstruierte und useTable getaufte Tisch unterstützt nicht nur eine Interaktion mit den Fingern, sondern auch die Verwendung von tangiblen Objekten und eine vollflächige Eingabemöglichkeit mit digitalen Stiften. Erst diese Erweiterungen werden der Beschaffenheit und ursprünglichen Arbeitsweise an einem echten Tisch gerecht und stellen auf dem Gebiet der Multi-Touch-Tables in dieser Kombination eine Neuerung dar.
Dabei war der Weg der Konstruktion und Entwicklung des useTables keinesfalls geradlinig. Das Innenleben des Tisches ist komplex und besteht u.a. aus zwei Oberflächenspiegeln zur Umlenkung des projizierten Beamerbildes, sowie mehreren Infrarotscheinwerfern, die die Finger eines Anwenders von unten beleuchten, während eine Kamera das reflektierte Infrarotlicht der Finger erkennt und zur digitalen Bildverarbeitung an einen Computer weiterleitet. Die Ausrichtung und Feinjustierung dieser Komponenten war ein aufwändiger Prozess, da die sich die exakten Paramter oftmals nur durch Ausprobieren bestimmen ließen.
Hoher Nutzen im Katastrophenfall
Viele der bisherigen Entwicklungen im Bereich von Multi-Touch-Tables entstanden technologiegetrieben, d.h. im Hinblick auf das technisch Machbare, jedoch vielfach ohne die Einbeziehung oder Berücksichtigung potentieller Nutzer und unter Betrachtung realistischer Einsatzszenarien. Die Projektgruppe hingegen verfolgt den Ansatz des User Centered Designs und stellt den Anwender mit seinen Aufgaben, Zielen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses, um eine hohe Gebrauchstauglichkeit (Usability) des fertigen Produktes gewährleisten zu können.
In Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk Detmold wurde eine zukünftig mögliche Arbeitsumgebung eines Multi-Touch-Tables zur Unterstützung der Leitstelle im Katastrophenfall herausgearbeitet. Der useTable wird zur Unterstützung des THWs in der Lage sein, mehrere Kartenansichten (Satellitenaufnahmen und topographische Darstellungen) als digitale und stufenlos zoombare Schichten übereinander darzustellen und Möglichkeiten bieten, um Schäden und eingesetzte Einheiten auf einer Lagekarte darzustellen, zu klassifizieren und nach Kriterien zu filtern. Des Weiteren werden zahlreiche Arbeitsaufgaben des THWs digital unterstützt. Beispielsweise lässt sich bei einem geplanten Pumpvorgang die Berechnung von Arbeitsmaterial und Pumpparametern automatisieren, wenn eine Karte mit Höheninformationen in digitaler Form vorliegt. Hierzu zeichnet der Anwender mit einem digitalen Stift den Wasserverlauf auf einer Karte ein, woraufhin das System die Anzahl der nötigen Pumpen, Schlauchlängen und Pumpparameter (z.B. Wasserdruck) übersichtlich darstellt. Mehrere andere Szenarien, wie z.B. die automatische Platzierung von Funkmasten, um eine eingezeichnete Fläche bestmöglich funktechnisch abzudecken, könnten dem Einsatzleiter des THWs im Falle einer Katastrophe zukünftig Unterstützung bieten. Die Projektgruppe sieht in ihrer Entwicklung auch Mechanismen im Sinne eines Einsatztrainings vor, um bei Übungen, aber auch realen Einsätzen, Entscheidungen und Aktionen im Nachhinein analysieren und bewerten zu können.
Dieser Bericht isr auch in der Paderborner Universitätszeitung (<link http: www.uni-paderborn.de universitaet hochschulmarketing puz>PUZ 01/2010) erschienen.
Autor: Adrian HülsmannKontaktDr. Karsten NebeTel: 05251 60-6132E-Mail: Karsten.Nebe[at]c-lab.de